Warum ich mit dem Genre Gay Romance nichts anfangen kann

Eins vorab: Nein, das ist kein Blogbeitrag über Frauen, die über schwule Männer schreiben. Wer darüber was lesen möchte, findet bestimmt genug Artikel und Beiträge im Internet, die sich mit dem Thema befassen.

 

Anmerkung: In diesem Beitrag schreibe ich über die Genres der Belletristik, fiktionale Literatur.

 

Die Lesewelt ist bunt. Wie soll man sich da zurechtfinden?
Die Lesewelt ist bunt. Wie soll man sich da zurechtfinden?

Mit dem Genre Gay Romance, wie es zur Zeit verwendet wird, kann ich nichts anfangen. Ich kann mich nicht daran orientieren, wenn ich auf der Suche nach neuem Lesestoff bin und ich wehre mich dagegen, dass meine Romane und die anderer Autorinnen und Autoren prinzipiell in dieses Genre gestopft werden, nur weil Figuren darin vorkommen, die nicht heterosexuell sind. Zunächst möchte ich einige Begriffe klären.

 

Was sind eigentlich Genres?

Ein Genre kann man sich wie das Regal vorstellen, in das ein Buch in der Buchhandlung einsortiert wird, zum Beispiel Krimi oder Liebesroman.

Natürlich gibt es auch Bücher, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen, weil sie Elemente aus verschiedenen Genres enthalten, zum Beispiel wenn ein Detektiv in einer Fantasywelt auf Mörderjagd geht. Das ist dann ein Genre-Mix.

Über die Einteilung entscheidet dann meist, welche Elemente im Hauptplot mehr Raum einnehmen.

 

Welche Genres gibt es?

Die wichtigsten Genres sind Krimi, Liebesroman, Thriller, Science Fiction, Horror, Fantasy und historischer Roman. Es gibt noch mehr, aber das sind die längsten Regale in der Buchhandlung, die wir uns vorhin vorgestellt haben. Innerhalb der einzelnen Genres gibt es die Subgenres, um Geschichten noch spezieller einordnen zu können. Subgenres des Krimis sind zum Beispiel Landhauskrimi und Regionalkrimi. Subgenres von Liebesromanen sind zum Beispiel  Love and Landscape, Chick Lit und Gay Romance.

 

Warum gibt es die Einteilung in Genres?

Zurück zum Beispiel mit der Buchhandlung: Wenn die Bücher alle unsortiert in den Regalen stehen würden, wäre es für Leser schwer, die Bücher zu finden, für die sie sich interessieren. Es hat natürlich auch etwas für sich, einfach mal zu stöbern. Ich war schon in einigen Antiquariaten, in denen es eher ungeordnet zuging und dort kann man tolle Entdeckungen machen. Für die leichtere Orientierung der Leser ist es allerdings schon sinnvoll, die Bücher nach bestimmten Kategorien, eben den Genres, zu sortieren. So kann jemand, der einen Krimi lesen möchte, sich direkt zum betreffenden Regal begeben und muss sich nicht erst durch einen Stapel Liebesromane und Fantasy wühlen.

 

Meistens weiß man als Leser, was einen grundsätzlich erwartet, wenn man einen Krimi kauft: Im Mittelpunkt steht ein Verbrechen, das aufgeklärt wird. Das versteht man unter „Genre Konvention“. Die Erwartungen können erfüllt werden, oder eben nicht. Dann besteht das Risiko, dass Leser das Buch verärgert zur Seite legen. Andere Leser mögen vielleicht gerade das Durchbrechen der Konventionen.

 

Nun aber endlich zur Gay Romance. Gay Romance ist ein Subgenre des Liebesromans. Die Genre-Konventionen des Liebesromans geben vor, dass sich Menschen, meist zwei, sich ineinander verlieben. Weitere Konventionen können sein, dass es Schwierigkeiten gibt, die dem Liebesglück zunächst im Wege stehen.

 

Wenn ich also einen Roman kaufe, der ins Gay Romance Regal eingeordnet ist, könnte ich erwarten, dass diese Konventionen meistens erfüllt werden. Zumindest aber erwarte ich, dass der Schwerpunkt des Romans auf der Liebesgeschichte liegt.

 

Allerdings: Nicht überall, wo Gay Romance draufsteht, ist auch eine Gay Romance drin. Damit meine ich nicht, dass Konventionen des Liebesromans gebrochen werden. Das ist in allen Genres durchaus üblich und viele Leser mögen wie bereits erwähnt gerade das. Schwierig wird es nur, wenn die Gay Romance gar keine Liebesgeschichte ist, sondern ein Krimi. Oder ein Fantasyroman. Oder ein Thriller. Leider wird fast jeder Roman mit Figuren, die nicht heterosexuell sind, gleich in das Regal „Gay Romance“ einsortiert, auch wenn es gar kein Liebesroman ist. Das ist so, als wenn jeder Roman, in dem heterosexuelle Figuren vorkommen, in das Regal „Liebesroman“ einsortiert würde, auch wenn keine Liebesgeschichte darin vorkommt oder zumindest nicht die Hauptrolle spielt.

 

Das Blöde daran ist, dass viele Leser, denen die Romane gefallen könnten, sie gar nicht finden oder ablehnen, weil sie sie nach der Einsortierung für Liebesromane halten. Es entsteht sogar der Eindruck, dass alle Romane, in denen nicht heterosexuelle Figuren vorkommen, von vorneherein sowieso nur Romanzen sein können, in denen der Schwerpunkt auf der Liebesgeschichte liegt. Das stört mich!

 

Es wird sicher Leser und Leserinnen geben, die zwar Fantasyromane (oder Krimis, etc.) mögen, aber keine lesen wollen, in denen zum Beispiel lesbische oder homosexuelle Figuren vorkommen. Ich kann das zwar nicht verstehen, aber sei es drum. Die Lesevorlieben und –geschmäcker sind verschieden.  Andererseits glaube ich daran, dass es mindestens genau so viele Leserinnen und Leser gibt, denen die sexuelle Orientierung der Figuren völlig egal ist. Vor allem, wenn die gar nicht Thema der Geschichte ist. Darum bin ich dafür, dass auch ein Fantasyroman, in dem die Figuren nicht heterosexuell sind, in das Genre Fantasy einsortiert wird und nicht wieder unbesehen in die Gay Romance Ecke gestopft wird.

 

Na gut, wäre es nicht eine Lösung, wenn die bisher unpassend einsortierten Romane nun weitere Regale mit den Labeln „Gay Fantasy“, „Gay Krimi“ und „Gay Thriller“ erhalten? Ich finde, nein. Ich wehre mich gegen die Ausgrenzung von Romanen mit nicht heterosexuellen Figuren. Die gehören in die bereits bestehenden Genre-Regale. Jetzt könnte der Einwand kommen „Aber viele Leute lesen doch so gerne Bücher mit nicht heterosexuellen Figuren, wie sollen die denn ihre Romane finden, wenn die in allen Genres verteilt sind?“

 

Ich traue den Lesern und Leserinnen durchaus zu, Bücher zu finden, die ihrem Geschmack entsprechen. Es gibt so viele Möglichkeiten: Klappentext, Leseprobe, Rezensionen, oder auch mal im Buchladen fragen. Da muss man nicht noch ein Extralabel draufpappen, schon gar nicht, wenn die Anwesenheit von nicht heterosexuellen Figuren gar nicht den Schwerpunkt des Romans darstellt.

 

Weiterer möglicher Einwand: Ja, aber es stört doch keinen, wenn es im Fantasygenre das Subgenre Gay Fantasy gibt. Doch, mich stört das. Warum soll man betonen, dass die Figuren in einem Fantasyroman nicht heterosexuell sind, wenn es in der Geschichte gar nicht darum geht? Sexuelle Orientierung oder das sexuelle Selbstverständnis der Figuren sind für mich keine schlüssigen Kriterien, um Romane einzusortieren. Alle anderen Subgenres definieren sich nämlich nach der Geschichte, und ich finde, darum soll es gehen.

 

Meine Meinung: Gay Romance Label – ja, von mir aus, wenn der Roman sich tatsächlich in das Subgenre des Liebesromans einsortieren lässt. Alles andere führt eher zu Verwirrung und möglicherweise sogar zu Enttäuschung der Leserinnen und Leser und, noch schlimmer, dazu, dass Leserinnen und Leser Bücher, die ihnen gut gefallen würden, wegen des unpassenden Labels gar nicht erst in die Hand nehmen.